Günter Haas aus Adelsried wird Vize-Weltmeister AK beim Ultraradmarathon in Österreich
Bereits zum 11. Mal wurde in Österreich / Graz am letzten Wochenende die Weltmeisterschaft im Ultraradmarathon ausgerichtet. Um die Startreihenfolge festzulegen fand bereits am Vortag der Prolog, ein kurzer aber harter Bergsprint statt. Das Rennen selbst geht dann von Graz aus über etliche Berge und Schleifen bis zum imposanten Großglockner, dort bis auf 2.571 m Höhe und wieder zurück. Die Gesamtstrecke summiert sich so auf beachtliche 868 km und 15.116 Höhenmeter mit Steigungen von bis zu 16{91f190301be7064104cecd4cbc7245968a651f6e5e90b4bbaab37b4ee80c7042}. Die Teilnehmer starten im Abstand von 30 Sekunden, wer als Erster wieder ins Ziel kommt hat gewonnen. Die Entscheidung ob und wieviel Pausen jemand macht, bleibt jedem selbst überlassen.
Im Gegensatz zu dem Transkontinentalrennen Race Across Amerika, das ich 2013 mit einer Streckenlänge von 5.000 km bestritt und bei dem es mir vor allem um das Ankommen innerhalb des Zeitlimits ging, wollte ich dieses Mal auf`s Podest. Dies kommunizierte ich schon vorab meinem Team, das aus meiner Frau Margot, Oliver Hein als Teamchef, Klaus Wenk und Matthias Brenner bestand. Alles erfahrene Betreuer und Sportler, die mich bereits beim RAAM grandios unterstützt hatten. Meist konnten sie schon anhand von Geschwindigkeit und Fahrstil erkennen, in welchem Zustand ich mich befand.
Seit über einem halben Jahr hatte ich mich intensiv auf das Rennen vorbereitet. Vielseitiges Training mit Kraft- und Kampfsport, im Winter Skaten und Skitouren. Mit dem Rad trainierte ich meist in unseren wunderschönen heimatlichen Gefilden, westliche Wälder, Stauden, Donau-Ries, Altmühltal und Allgäu. Ein ausgewogenes Training mit notwendigen Regenerationsphasen stellt das Fundament des Hochleistungs-Rad-Sports dar.
So stand ich Donnerstag den 4. Juni 16:00 Uhr am Start, mit dem Bewusstsein, ca. 40 Std. auf dem Rad, am Limit des Leistungsvermögens zu verbringen. Das heißt, unter anderem zwei komplette Nächte ohne Schlaf, Pausen maximal im Minutenbereich und die Verpflegung fast ausschließlich aus dem fahrenden Begleitauto. Da ich bereits wusste, dass starke Konkurrenz am Start war machte ich von vorne weg Druck. Ich fühlte mich gut, fuhr in die kühle Nacht und konnte die erste Teilstrecke bis zum Fuße des Großglockners mit 300 km und über 4.000 Höhenmeter mit einem Schnitt von knapp 30 km/h zurücklegen. Gefolgt vom Pacecar mit den Betreuern, das zum Schutze des Fahrers die ganze Nacht mit Drehleuchten hinter dem Fahrer bleiben musste. Nach einer 135 km Schleife über den Kartitscher Sattel begann der 40 km lange Aufstieg zum Tourhöhepunkt, der Edelweißspitze auf 2.551 m. Es war ein wolkenloser Sonnentag und entsprechend viel war auch auf der Großglockner Hochalpenstraße los. Da man mit dem Rennrad durch die Serpentinen gut und schnell abfahren konnte und ein Podestplatz im Fokus stand, waren die Autos und Motorräder schon fast ein Hindernis. Einmal musste ich sogar einen Ferrari- Cabrio- Fahrer von hinten wegschreien, damit er Platz machte.
Aus meiner Vorstellung, mich talauswärts, auf der Abfahrt zu erholen wurde leider nichts. Der einsetzende Gegenwind wurde unerbittlich und immer stärker. Die Temperaturen stiegen auf über 30 Grad an. Da mir Hitze schon immer zu schaffen machte, kam ich hier an meine Grenzen und es lagen immer noch über 300 km vor uns. Der Gegenwind war gnadenlos und die Hitze unerträglich. Die Kraft in Beinen und Körper schwand zunehmend. Aufblitzende Gedanken ans Aufgeben musste ich im Keim ersticken und nur die Erfahrung aus vielen ähnlichen Situationen und meine Willensstärke haben mich noch angetrieben. Ein großes Problem zu diesem Zeitpunkt war auch, dass ich durch die Hitze und Anstrengung nicht mehr genügend Energie zu mir nehmen konnte. Der Bedarf ist enorm! Für das ganze Rennen war ein Energiebedarf von knapp 30.000 kcal errechnet. Die Zufuhr war über feste Nahrung nicht möglich. Sie fand hauptsächlich in Form von Flüssignahrung statt. Während des Rennens trank ich so unter anderem 29 Fläschchen Trinknahrung, 4 Liter Cola und 4 Liter alkoholfreies Bier. Verlor dabei aber immer noch 1 kg an Körperfett.
Mit großer körperlicher und mentaler Anstrengung habe ich mich so in die kühleren Abendstunden gerettet. Von da an konnte ich dann auch wieder mehr essen bzw. trinken und wieder Tempo aufnehmen. Dass hier die Grenzen des körperlich machbaren fast überschritten werden zeigt, dass die DNF (did not finish)- Quote bei 43 {91f190301be7064104cecd4cbc7245968a651f6e5e90b4bbaab37b4ee80c7042} lag. Und ich weiß, dass alle Teilnehmer körperlich top-fit und hochmotiviert an den Start gingen!
So erreichen wir am Ende der zweiten Nacht, in den kühlen Morgenstunden am Samstag um 6:00 Uhr mit einer benötigten Zeit von 37:55 Std. das Ziel am Stadtrand von Graz. Der letzte Finisher erreichte mit 54:28 Std. das Ziel. Nicht nur ich als Fahrer, sondern das ganze Team, das sich für das Rennen so mit Herzblut eingesetzt hatte, wurden mit dem 2. Platz in der AK belohnt. Wir sind auch dankbar dafür, dass wir unfall- und pannenfrei wieder in Graz angekommen sind.
Jetzt heißt es erstmal ein bisserl die Beine hochlegen und die Erlebnisse verarbeiten.