525 km – 13.650 hm – 12 Pässe
Geschafft!!! Nachdem der Wetterbericht wenige Tage vor dem Start des RATA einen Wetterumschwung mit Kälte und Niederschlägen in den Bergen angekündigt hatte, war ich mir nicht mehr sicher, ob der Wettkampf unter diesen Bedingungen zu schaffen war. Ich hatte mich moralisch schon auf das Schlimmste eingestellt und fuhr so mit meinem Begleitteam, meiner Frau Margot und Klaus vom Triathlonverein Gersthofen nach Nauders.
Seit dem Jahr 2000 wird in Nauders das Race Across The Alps – das härteste Eintagesrennen der Welt – veranstaltet. Maximal 50 Athleten können an dem Rennen teilnehmen, die vorher ihre Leistungsfähigkeit nachweisen müssen. Dieses Jahr waren 49 Teilnehmer gemeldet und 45 letztendlich am Start. Alles erfahrene Ausdauerathleten aus sieben verschiedenen Nationen, die sich der Herausforderung stellten, die Strecke in maximal 32 Stunden zu bewältigen. Also eine Non-Stop-Fahrt über 525 km – 13.650 hm mit 12 hochalpinen Pässen.
In Nauders angekommen war zuerst einmal das offizielle Briefing des Veranstalters angesagt. Hier wurde nochmals detailliert auf die Strecke, deren Gefahrenstellen und das Reglement hingewiesen.
Zum Start, Mittags um 12.00 Uhr, ist es noch trocken. Mit dem Startschuss schießt die „Meute“ los, wie bei einem Sprintrennen. Ich wollte mit meinem Bekannten, Günter Wolf, dieses für mich sinnlose und kräftezehrende Anfangstempo nicht mitmachen. Wir ließen uns deshalb schon bald nach der Ausfahrt Nauders aus dem Feld fallen und schlugen unser eigenes Tempo ein. Diese Taktik sollte sich auch später bezahlt machen. Schon auf dem Weg, den ersten Pass zum Stilfser Joch hinaus hatte es zu regnen begonnen.
Nach dem Stilfser Joch Pass dann hinunter und über Bormio wieder hinauf zum Gavia. Hier oben auf 2.652 m wurde es dann bei Temperaturen um die Null Grad und Nebel richtig ungemütlich.
Nachdem es sich über den Aprica Pass dann richtig eingeregnet hatte wurde es dunkel und der anstehende Mortirolo Pass sollte mir dann noch viel Kräfte rauben. Ich hatte zwar schon gehört, dass dieser nicht gerade einfach zu fahren sei, aber dass er dann doch so steil war hatte ich nicht vermutet. Dabei hatte ich mir doch extra als „Rettungsanker“ ein 30er Ritzel draufgemacht. Mit der Folge, dass mir wiederholt das Vorderrad beim Antreten hochgegangen ist. Ist ja bei einer kurzen „Rampe“ nicht schlimm, aber wenn gar keine flachere Stelle kommt, dann geht das schon auf die Physe und Psyche. Dazu kommt noch die Nacht und strömender Regen.
Oben am Pass dann Kleiderwechsel und Verpflegung. Die Anstrengung hatte sich zu diesem Zeitpunkt leider so bemerkbar gemacht, dass ich keinen Appetit mehr hatte und auch nichts mehr trinken konnte. Das hat sich Gott sei Dank die nächsten zwei Stunden wieder gelegt, so dass ich wieder richtig Hunger bekommen hatte. Dies war der Zeitpunkt, von 2:00 – 4:00 Uhr am Morgen, an dem viele andere Fahrer aufgeben mussten.
Nach der Abfahrt in absoluter Dunkelheit, durch die engen Serpentinen des Mortirolo ging es nochmals bei strömendem Regen über den Aprica Pass. Dann schier endlos den Bernina hoch, zum Ende hin immer steiler werdend. Als wir uns dem Pass näherten fing es schon langsam an zu dämmern.
Auf der langen Abfahrt hinunter, über St. Moritz nach La Punt hat mich doch etwas die Müdigkeit überfallen. Auch deshalb, weil bei der Abfahrt natürlich der Kreislauf abfällt. Zu diesem Zeitpunkt war mir auch richtig kalt und ich war schon bald froh, dass ich mir wieder hinauf zum Albula bewegen konnte. Dort wurde es auf über 2.300 m wieder sehr „frisch“
Mein Team achtete streng darauf, dass ich immer genug Essen und Trinken zu mir nahm. So kamen bis zum Ende des Rennens ca. 20 Liter Flüssigkeit, ca. 10 belegte Semmel und zahlreiche Bananen, Riegel, Gels etc. zusammen.
Mit dem Erreichen des Stilfser Joch Passes hatte ich mit dem RATA bereits abgeschlossen. Du hast es geschafft! Nur noch hinunter und den Reschenpass mit 400 hm hoch und ins Ziel. Von wegen! Für die letzten 30 km zum Reschenpass musste ich nochmals alle Kräfte mobilisieren. Hier hatte sich auf der ganzen Strecke ein Gegenwind eingestellt, eher ein Sturm, so dass sich die Bäume bogen. Mir blieb nichts anderes übrig als mich auf dem Unterlenker gebückt den Pass hochzuquälen. Und das nach 30 Stunden im Sattel. Ein psychisches Tief, so kurz vor dem Ziel! Das ganze wendete sich urplötzlich, als mir mein Team zu verstehen gab, dass mir zwei weitere Fahrer im Abstand von wenigen Minuten immer näher kamen. Dieser Abstand verkürzte sich auf weniger als 2 Minuten. Bei den Fahrern handelte es sich um einen in der Schweiz lebenden Deutschen und einen Engländer, die wir bereits immer wieder trafen. Sollte ich mir die zwei Plätze wegnehmen lassen? Nein, dachte ich kurz entschlossen! Mein Team zwängte mir noch Gels auf und feuerte mich an. Auch die beiden anderen Begleitfahrzeuge gesellten sich hinzu und das ganze entwickelte sich noch zu einem richtigen Rennen. Auf wundersame Weise konnte ich hier doch noch so viele Kräfte mobilisieren, dass ich oben am Pass meinen Vorsprung wieder erheblich erweitern konnte und die anderen „weggeplatzt“ waren. Über die Galerien des Reschensees ging es dann Richtung Grenze.
Richtig erstaunt war ich, als mir am Grenzübergang plötzlich ein BMW Geländewagen des Veranstalters mit Warnlicht vorne weg fuhr und mich so bis zum Dorf Nauders eskortierte. Mit wildem Gehupe ging es dann in Nauders durch die Zieleinfahrt, durch eine im Bierzelt jubelnde Menge hinauf auf die Bühne.
Zu diesen Zeitpunkt hatte sich das Zelt schon mit vielen Radsportlern gefüllt, die am nächsten Tag den Dreiländer Giro fahren wollten. Sie alle bereiteten den eintreffenden RATA Finishern einen gebührenden Empfang.
So hatte ich nach 31 Std. mein Ziel erreicht. Gesund und mit einem lächeln im Gesicht das RATA zu beenden. Dies hatte ich auch wesentlich meinem beiden Betreuern, meiner Frau Margot und Klaus Wenk zu verdanken, die sich selbstlos die ganzen 31 Stunden um mich gekümmert und umsorgt haben. Herzlichen Dank hierfür!